Wer hat’s wann gesagt?

Wer hat’s wann gesagt?

Ein kleines Quiz zwischendurch. Mir ist vor allem in den letzten Jahren aufgefallen, dass die sprachliche Schwarz-weiß-Malerei auch die Frage betrifft, wie gleichberechtigt Frauen in „unserer“ Gesellschaft – damit meine ich in Deutschland – sind. 

Ich spreche von „Schwarz-weiß-Malerei“, weil verstärkt vermeintliche Kontraste hergestellt wurden und werden, und zwar zwischen „uns“ und „anderen“ – gerade im Zusammenhang mit Femiziden und Gewalt gegen Frauen. Als Stichworte nenne ich an dieser Stelle nur „Silvester 2015 in Köln“, „Ehrenmorde“ oder dass Frauen in „rückständigen“ Gesellschaften noch ihre Männer um Erlaubnis bitten müssten, wenn sie z.B. arbeiten wollten. Der Kontrast lautete immer: Das ist bei „uns“, bei „den Deutschen“ nicht so, da sind „wir“ ja viel fortschrittlicher, Frauen sind bei „uns“ ja gleichberechtigt.

Ja? Dann schauen wir doch mal, welche Rollen, welche Aufgaben, welche Eigenschaften, welche Empfindungen Frauen in Deutschland so zugeschrieben wurden und noch werden. Ich habe ein paar Zitate zusammengestellt, weiter unten findet ihr dazu dann die Quellen – und vielleicht (hoffentlich!) schockiert euch die eine oder andere Quelle und vor allem Jahreszahl. Damit sich aus dem Zitat keine Rückschlüsse auf den Zeitpunkt ziehen lassen, habe ich Namen entfernt und ggf. die Rechtschreibung an die aktuellen Regeln angepasst.

Los geht’s!

Beispiel 1

Es stellt sich die Frage, ob [die junge Frau] das verstanden hat, das war ja nun doch ein längerer Satz.

Beispiel 2

Wenn sich Männer verändern, ist das für Frauen immer enttäuschend. Für [diese Frau] war es tödlich.

Beispiel 3

Von [ihrem] Anruf war [er] damals so überrumpelt, dass er fast vergessen hätte, seiner Frau […] von dem Besuch zu erzählen. […] [Seine Frau] hat dann aber doch noch ein ganz anständiges Frühstück zusammenbekommen.

Beispiel 4

Ich höre hier auch sexistische Zwischenrufe, dass man einer Frau nicht zu komplexe Fragen stellen darf.


Und, habt ihr Ideen, wer was wann gesagt oder geschrieben haben könnte? Jetzt könnt ihr schauen, ob eure Vermutungen stimmen, denn hier sind nun die „Lösungen“:

Beispiel 1:

Der Satz wurde am 14.01.2014 während des NSU-Prozesses von einem der Anwälte von Beate Zschäpe gesagt – er sprach mit dem vorsitzenden Richter über eine Zeugin, während die Zeugin noch im Zeugenstand saß. Ich war im Zuschauerraum und bin in der ersten Pause gegangen, nicht weil mich der verhandelte Fall so fertig gemacht hätte, sondern der Ablauf – die Zeugin, über deren Kopf hinweg gesprochen wurde, war zu dem Zeitpunkt meiner Erinnerung nach 18 Jahre alt und ist später weinend aus dem Gerichtssaal gelaufen.

Beispiel 2:

Aus dem Zeitungsartikel „Die Frau des Boxers war stärker“, erschienen im Hamburger Abendblatt vom 28./29. Juli 1984 (Autor: Günter Stiller), über Helga Scholz, die von ihrem Ehemann Gustav „Bubi“ Scholz 1984 erschossen wurde. – Es ist also für Frauen „immer enttäuschend“, wenn ein Mann sich ändert? Absurd genug. Das in eine Reihe zu stellen damit, dass Frau Scholz von ihrem Mann erschossen wurde, ist nur – pardon my french – bescheuert. Denn was soll jetzt bitte gesagt werden? Dass eine Frau enttäuscht war, weil ihr Mann sich geändert hat? Im Falle von Bubi Scholz übrigens „zum Schlechten“, wie in dem Artikel ausgeführt wird, weil er nicht mehr als Boxer erfolgreich war, weil er immer mehr Alkohol getrunken hat? Aber was soll das dann damit zu tun haben, dass Frau Scholz erschossen wurde? Sie ist jetzt tot, weil er sich geändert hat? Oder weil sie enttäuscht war, weil ja alle Frauen enttäuscht sind, wenn ein Mann sich ändert? Völlig Banane.

Beispiel 3

Quelle: Podcast „Friedrich Merz: Sein langer Weg zur Macht“ (ZEIT online), Folge 2, erschienen am 05.02.2025, die hier zitierte Stelle beginnt bei ca. 4:27 min. 

Die Moderatorin spricht hier über Stoiber und dessen Frau, die am nächsten Tag Angela Merkel zum Frühstück erwarten. Im zweiten Satz offenbart sich ein unsägliches Frauenbild: Ganz selbstverständlich ist Frau Stoiber dafür „zuständig“, das Frühstück zu machen. Wieso eigentlich? Und noch schlimmer: Frau Stoiber bekommt hier ein arrogantes „Lob“ dafür, dass sie das ja in der Kürze der Zeit doch noch „ganz anständig“ hinbekommen hätte. Na super. Liebe Leute von der ZEIT – so was 2025 in einer Moderation? Geht’s noch?

Beispiel 4

Annalena Baerbock am 31. Januar 2025 während ihrer Rede im Deutschen Bundestag, Plenarprotoll 20/211, S. 27524. – Auch wenn die Zwischenrufe für Zuhörer:innen nicht verständlich waren, habe ich keine Zweifel daran, dass es solche Zwischenrufe gegeben hat. Noch schlimmer war dann nur die „Berichterstattung“ darüber. Im weiteren Verlauf der Debatte sagte Frau Baerbock nach einer Kurzintervention von Herrn Frei (CDU), dass Männer, wenn sie nicht mehr weiterwissen, mit Lügen um sich werfen“. Während die sexistischen Zwischenrufe wirklich null Aufmerksamkeit auf sich zogen, wurde die Äußerung von Frau Baerbock nicht nur im Boulevard ausgewalzt (ich will’s hier nicht reproduzieren, aber es gar eine Riesenmeldung und später auch noch einen „Kommentar“ dazu, nein, selbst der Moderator bei Phoenix, Gerd Joachim von Fallois, ließ sich dazu hinreißen, die Äußerung von Frau Baerbock (und NUR diese) aufzugreifen: „Sie hat so eine Art sexistischen Witz gerissen.“ Man kann die Äußerung von Frau Baerbock genauso unangemessen finden wie sexistische Zwischenrufe, aber dass im Anschluss nur über eins von beidem berichtet wird und damit auch nur das „hängenbleibt“ – nämlich die pauschale Diskreditierung von Männern – spricht Bände. Wenn man das mit Frauen macht, ist das halt nicht so schlimm, vielleicht sogar okay, aber wehe dem, Männer sind betroffen. 

Sprache hat Macht und Sprache macht etwas. Sie reproduziert nicht nur das, was in uns vorgeht, was wir denken und fühlen; zumindest ist es keine Einbahnstraße, sondern funktioniert auch umgekehrt: Mit Sprache werden zum Beispiel Rollenbilder, Erwartungen, Haltungen geprägt, im wahrsten Sinne festgeschrieben.