In meinem Beitrag vom 12. Januar 2025 ging es darum, welch eine Kultur oder vielmehr Un-Kultur von Gewalt gegen Frauen es in Deutschland gab und gibt.
Eine Möglichkeit, das Leben von Frauen, ihre Gesundheit, ihr Wohlbefinden stärker zu schützen, können veränderte oder neue Gesetze sein. Das allein halte ich zwar keinesfalls für die Lösung, denn vor allem die Mentalität, das gesellschaftliche Bewusstsein und Verständnis lassen sich eben nicht gesetzlich verordnen, sind aber entscheidend. Dennoch: Wenn gesetzlich verankert ist, dass und wie Frauen Hilfe und Unterstützung zusteht, vor allem dann, wenn ihr Partner oder Ex-Partner sie seelisch und/oder körperlich missbraucht, misshandelt, wenn er sie verletzt, versucht zu töten, dann wäre das ein Schritt in die richtige Richtung.
Ein Vorhaben, das in diese Richtung gehen sollte, ist das Gewalthilfegesetz. Einen guten Überblick über das Gesetz und auch das, was nicht im Gesetz steht, gibt es z.B. beim Deutschlandfunk. Dieses Gesetz wurde am 31. Januar 2025 noch vom Bundestag verabschiedet – und dank der CDU und dem „Zustrombegrenzungsgesetz“ (allein die Wortwahl ist übrigens ganz furchtbar, als würde da eine gesichtslose und dadurch entmenschlichte Masse durch ein Rohr kommen, an dem man einfach das Ventil auf- und zudrehen kann; der Begriff ist zudem u.a. in einer Reihe mit „Asylantenfluten“ der 1990er Jahre) ist dieses wichtige Thema dann etwas untergegangen. Hat die CDU unter Friedrich Merz ja gut hinbekommen – Themen oder genauer gesagt ein Thema zu setzen, komplett vorbei an der Realität, das war in den letzten Wochen offenbar wichtiger.
Jedenfalls hat dann am 31. Januar der Bundestag mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU, Grünen und Linken dem Entwurf für das Gewalthilfegesetz zugestimmt. Die FDP übrigens nicht, die hat sich enthalten. Und am 14. Februar hat dann auch der Bundesrat dem Gewalthilfegesetz zugestimmt.
Eine Randbemerkung: Ich will gar nicht sagen, es wäre leicht, einen treffenden Namen für ein Gesetz zu finden – aber ich bin dafür, es lieber komplexer und ggf. länger zu machen, statt unbedingt ein einzelnes Wort finden zu wollen (denn was soll „Gewalthilfe“ sein? Hilfe bei Gewalt? Vor Gewalt? Durch Gewalt? Gewalt gegen wen?). Komplexität ist nichts Schlechtes und in jedem Fall ist es besser, etwas richtig auszudrücken – auch wenn man dafür mehr als ein Wort braucht. Dazu aber irgendwann mal mehr – wer darüber mehr hören möchte, kann sich z.B. Folge 159 des Podcasts „Feel the News“ anhören, darin geht es um Komplexität und Differenzierung und warum das nichts Schlechtes ist.
Zurück zum Gewalthilfegesetz. Ist damit jetzt nicht alles super? Müssen wir uns dann überhaupt noch anschauen, ob die Themen „Gewalt gegen Frauen“ und „Femizide“ – oder auch Themen, die damit zusammenhängen (Stichwort strukturelle Ungleichheit und anderes) in den Parteiprogrammen zur Bundestagswahl eine Rolle spielen?
Ja, das müssen wir, denn es ist ja noch lange nicht „alles gut“, es gibt noch immer viel zu tun. Es gesetzlich zu verankern, dass Frauen, die psychische oder physische Gewalt durch einen Mann erleben, Hilfe auf verschiedenen Ebenen erhalten, ist gut und richtig – kann aber nur ein weiterer kleiner Schritt auf einem langen Weg sein – und das Ziel ist noch sehr weit entfernt.
Es wird in den nächsten Jahren zu sehen sein, wie die Umsetzung aussieht: Findet das Gesetz Anwendung? Erhalten Frauen tatsächlich die Unterstützung, die ihnen gesetzlich zusteht? Wie leicht oder schwierig wird es sein, diese Unterstützung zu erhalten? Was wird in Zukunft dafür getan, Machtverhältnisse und damit auch Gewaltverhältnissen entgegenzusteuern? Für echte Gleichberechtigung zu sorgen? Sexismus, gerade auch im Alltag, einzudämmen, zurückzudrängen, klarzumachen und durchzusetzen, dass das einfach nicht geht?
Ein Blick in die Wahlprogramme sagt uns, welche Partei sich überhaupt mit diesen Aspekten befasst und welche Rolle die Themen spielen.
Da die Wahl kurz bevorsteht, fasse ich die wichtigsten Punkte in diesem und dem folgenden Post zusammen – ich starte mit dem Programm der CDU/CSU.
Im Programm der CDU/CSU geht es an 10 Stellen um „Gewalt“, aber nur an zwei dieser Stellen geht es um Gewalt gegen Frauen (Seite 4 und Seite 37). Auf Seite 4 heißt es im Zusammenhang mit der elektronischen Fußfessel: „Gewalttäter gegen Frauen müssen gestoppt werden.“
Erst mal: Der Anschluss ist Unfug – gemeint ist vermutlich so was wie „Menschen/Männer, die Gewalt gegen Frauen ausüben“. Das klingt aber nicht so knackig und plakativ – das ist wieder die Sache mit der Komplexität, siehe oben. Außerdem wäre dann der Begriff „Täter“ auch raus. Zwei Dinge fallen mir hier auf: Es geht um Maßnahmen, nachdem bereits Gewalt ausgeübt wurde. Und auch der Begriff „Täter“ rückt die ganze Aussage in einen strafrechtlichen Kontext, wenn also zumindest Gewalt angezeigt wurde, womöglich sogar ein Urteil gefallen ist.
Das ist doch alles zu spät. Wo sind denn die Ideen, wie Frauen geschützt werden können, bevor sie Gewalt erfahren? Vielleicht ja an der anderen Stelle, an der es auch um Gewalt gegen Frauen geht. Auf Seite 37 heißt es (und ich zitiere bewusst den ganzen Absatz):
Höchste Aufmerksamkeit für den Schutz von Kindern und Frauen. Wir lassen die Opfer häuslicher Gewalt, gerade Frauen und Kinder, nicht allein. Ihr Schutz hat für uns Priorität. Wir entwickeln deshalb ein Sicherheitskonzept und stärken die Frauenhäuser. Die elektronische Fußfessel setzen wir verstärkt ein, damit Gewalttäter gegen Frauen Abstand zu ihren ehemaligen Partnerinnen halten.
Hier fällt mir Folgendes auf: Was soll das heißen: „Wir lassen die Opfer […] nicht allein.“ Durch die Erläuterung wird es für mich nicht konkreter, denn „Wir entwickeln ein Sicherheitskonzept“ – ja welches denn? Was denn konkret? Dann geht’s um die Stärkung der Frauenhäuser – wie praktisch, dass das mit dem Gewalthilfegesetzt jetzt schon verabschiedet ist. Und dann kommt wieder die Fußfessel, aber Achtung, die wird bei „ehemaligen Partnern“ angewendet. Aha. Und was ist mit den aktuellen Partnern, wenn sie gewalttätig sind?
Fazit: Eher heiße Luft. Vielleicht setzt die CDU/CSU auch darauf, dass niemand genauer hinschaut oder gar nachdenkt – denn wenn man das tut, findet man im Programm der CDU/CSU nichts Überzeugendes.

