Mit Datum vom 29.04.2025 erschien auf tagesschau.de ein „Porträt“ (so wurde es dort bezeichnet) des mutmaßlich neuen Kulturstaatsministers Wolfram Weimer. Geschrieben hat es Peter Jungblut vom BR und auf der Internetseite des BR findet sich übrigens eine Audioversion des Porträts mit dem Datum 28.04.2025.
Beim Lesen bin ich über ein paar Formulierungen gestolpert, und ich bin nicht zuletzt gestolpert, weil es sich ja um ein „Porträt“ handelt, nicht etwa um einen „Kommentar“.
In dem Beitrag heißt es z.B.: „An der Kulturpolitik wird sich das Schicksal der neuen Regierung sicherlich nicht entscheiden.“
Aha, denke ich. Warum nicht? Woher weiß der Autor das? Und was meint er überhaupt mit „Kulturpolitik“? Findet nicht etwa gerade auch eine Diskussion darüber statt (vielleicht nicht so breit, wie es wünschenswert wäre), welche Gefahren davon ausgehen, Kulturförderung zu reduzieren oder gar ganz einzustellen? Wie mit Hilfe von Politik Kultur beeinflusst, „gemacht“ oder auch zum Schweigen gebracht werden kann (siehe momentan vor allem USA, darauf wird auch oft Bezug genommen, z.B. in einem Artikel, der ebenfalls auf tagesschau.de erschienen ist.
Vor diesem Hintergrund: Warum sollte die Regierung nicht – sollte sie einen ähnlichen Weg beschreiten – genau daran „scheitern“ können (das Scheitern wäre hier etwas Gutes, daher setze ich das Wort in Anführungszeichen), weil es breite, massive Proteste gegen eine solche Politik geben könnte?
Dann geht es in dem Porträt weiter:
„So äußerte er [= Weimer] sich abfällig über die vermeintliche „Gender-Ideologie“ und Coming-Outs prominenter Personen, was ihm in der Kulturszene kaum Beifall einbringen dürfte. Diese Art Bürgerlichkeit, die an Betulichkeit grenzt, ist dort wenig verbreitet.“
Hoppla, ich bin schon wieder gestolpert, und zwar so richtig. Wer ist denn „die Kulturszene“? Und was ist daran „betulich“, wenn Weimer ein Coming-Out in eine Reihe stellt mit Grenzüberschreitung, wenn er es eindeutig negativ konnotiert als den Bruch eines Tabus, als Proletarisierung bezeichnet? Letzteres hat Weimer in seinem Buch „Das konservative Manifest“ getan, die Textstelle wird zitiert und eingeordnet bei queer.de.
Hier von „Betulichkeit“ zu sprechen, ist einfach völlig falsch. Ein Blick in den Duden hätte geholfen, „betulich“ meint entweder „übertrieben fürsorglich“ oder „gemächlich“ oder „(abwertend) brav“.
Das trifft alles nicht zu. Die Wertung wird zudem einer nicht näher definierten, aber angeblich sehr homogenen „Kulturszene“ zugeschrieben, der Autor versteckt sich hier einerseits, andererseits verschiebt er so den Fokus auch von Weimer, der ja eigentlich porträtiert werden soll, hin zur wertenden „Kulturszene“.
Das ist alles wenig hilfreich. Ein Porträt sollte objektiv sein, was nicht heißt kritiklos, aber statt Kritik irgendwo aus einer undefinierten Gruppe zu holen, sollten konkrete Aussagen von Kritiker:innen zitiert werden. Das wäre in diesem Fall ja auch gar nicht schwer. Denn so, wie dieses Porträt gestrickt ist, bietet es vor allem Wasser auf die Mühlen von Kulturkonservativen, von Unterstützer:innen von Weimers Positionen, denn die pauschale und anonyme Kritik lädt dazu ein, auf ähnliche Weise zu reagieren – pauschale Urteile, Wertungen statt des Austauschs von Argumenten zu konkreten Aussagen und Positionen.

