Wer liest schon Wahlprogramme?
Ganz ehrlich: Ich jedenfalls habe sie die meiste Zeit meines Erwachsenenlebens nicht gelesen – und ärgere mich heute darüber, das nicht schon früher getan zu haben. Ein Wahlprogramm ist schließlich die Grundlage dafür, dass eine Partei meine Stimme bekommt. Im Wahlprogramm legt eine Partei dar, welche Themen sie wichtig findet, welche Politik sie in bestimmten Bereichen umsetzen möchte – aber sie macht auch deutlich, was sie nicht wichtig findet, wenn sie etwas gar nicht erwähnt. Am Wahlprogramm kann ich Politiker:innen und Parteien später messen, auch wenn eine Partei vielleicht von manchen Programmpunkten abrücken muss, wenn sie eine Koalition eingeht.
In den Blogbeiträgen bis zur Bundestagswahl am 23. Februar 2025 werde ich die Wahlprogramme genauer unter die Lupe nehmen. Dabei konzentriere ich mich vor allem auf die folgenden Themen: Femizide (und etwas weiter gefasst Gewalt gegen Frauen und sogenannte häusliche Gewalt), Künstliche Intelligenz, Migration (mit dem Schwerpunkt: Welche Menschen „dürfen“ in Deutschland bleiben?).
Dass ich mich auf diese Themen konzentriere, hat mehrere Gründe: Einerseits sind es Themen, die mich persönlich sehr interessieren, mit denen ich mich teilweise auch schon mehrere Jahre beschäftige und mit denen ich mich dementsprechend auch gut auskenne. Andererseits sind es aber auch Themen, die aktuell viele Menschen in Deutschland bewegen.
Der Begriff Femizide wird noch nicht sehr lange öffentlich verwendet, das Thema Häusliche Gewalt bzw. Gewalt gegen Frauen hat in den letzten Jahren aber immer mehr mediale und damit auch gesellschaftliche Aufmerksamkeit erhalten – aus meiner Sicht war das überfällig und ich finde es irritierend, dass das Thema gleichwohl nicht immer ein Thema in den Medien, in der Politik ist, denn für Frauen ist es immer ein Thema. Es ist für mich daher spannend zu beobachten, wie die unterschiedlichen Parteien im aktuellen Wahlkampf mit diesem Thema umgehen.
Künstliche Intelligenz (KI) ist für die meisten Menschen ein noch recht neues Thema. Ich habe mich schon vor über 20 Jahren mit dem Thema beschäftigt, es dann wieder aus den Augen verloren – ehe es in der Gestalt von ChatGPT zurückkam. Das Thema betrifft mich persönlich: Ich bin Autorin, und für das Training von KIs werden Texte verwendet, vermutlich auch meine Texte. Nur dass ich weder gefragt noch dafür honoriert wurde. So weit, so schlecht. Darüber hinaus hat das Thema KI aber Implikationen, über die (so mein Eindruck) bislang kaum oder gar nicht nachgedacht wurde. Was heißt es, wenn man menschliche Arbeit, erst recht menschliche Kreativität mit einer KI ersetzt? Was machen wir dann als Menschen noch? Warum wird so viel Geld in eine Technik gesteckt, die menschliche Arbeit und Kreativität ersetzen soll? Und: Wie viel Geld wird überhaupt in diesen Sektor investiert? Das alles geht natürlich weit über das hinaus, was in einem Wahlprogramm stehen kann, aber ich hoffe, das Thema wird dort zumindest ernst genommen.
Migration ist schließlich ein Thema, das ich aus unterschiedlichen Blickwinkeln kennengelernt habe: als Kind in einem Stadtteil, der damals noch „Türkenviertel“ genannt wurde; als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache bzw. Zweitsprache; als Prüferin in Sprachprüfungen für Migrantinnen und Migranten; als Nachbarin / Bekannte / Freundin von Menschen, die aus einem anderen Land nach Deutschland gekommen sind; als jemand, die selbst in anderen Ländern weniger oder auch mehr Zeit verbracht hat. Das Thema begleitet mich also quasi mein ganzes Leben. Das Thema „Bleiberecht“ scheint seit einiger Zeit aber immer stärker in den Fokus gerückt zu sein – ob zurecht oder nicht, sei erst mal dahingestellt. Aber es ist ein Thema geworden oder zu einem Thema gemacht worden, und ich möchte unbedingt wissen (gerade auch, weil ich das Thema und die Positionen der verschiedenen Parteien schon so lange verfolge), wie es nun in den Wahlprogrammen aufgegriffen wird.
In meinen Beiträgen werde ich die Parteien in alphabetischer Reihenfolge „abarbeiten“. Diese Reihenfolge kann aber mal durcheinandergeraten, wenn eine Partei ihr Wahlprogramm vorlegt (was noch nicht für alle Parteien der Fall ist). Neben den Parteien, die aktuell im Bundestag vertreten sind, werde ich mir auch die Programme einiger anderer Parteien anschauen. Die Auswahl muss aber begrenzt bleiben, denn leider habe ich auch nur begrenzt Zeit.
Das gibt’s demnächst
Im nächsten Beitrag werde ich mir anschauen, ob und wie das Thema Femizide bzw. Gewalt gegen Frauen / häusliche Gewalt von der CDU/CSU aufgegriffen wird.

